Mittwoch, 6. August 2008

Inselweit

Sehr fern möchte ich sein
und Anker werfen
im ozeanischen Schweigen

Zurückatmen – ausruhen
auf den Planken
versunkener Schiffe
die Stunden fließen lassen

dem Sein eine Heimat geben
wo es wächst aus den Wellen
und an neue Ufer brandet

Inselweit – dich finden
Eins im Anderen
in schimmernder Welt
blauer Muschelbänke

6 Kommentare:

mkh hat gesagt…

Das klingt sehr schön.

Calliope hat gesagt…

Schön, dass es bei dir Anklang findet.

Was sagt es dir? Ich möchte gerne wissen, ob meine gedachte Botschaft auch bei dem Leser ankommt. Könntest du mir bitte ein weiteres Feedback geben?
Hab Dank lieber mkh.
Auf bald
Calliope

mkh hat gesagt…

"Den" Leser wird es natürlich nicht geben. Aber mich. In diesem Fall. Ich kanns versuchen, dir rückzumelden, was mir das wohlklingende, schönbebilderte Gedicht sagt oder nicht sagt. Mach ich:

Ein Sehnen danach, in die Ferne zu gehen und alles hinter sich zu lassen. Aber nicht nur in die Ferne, das reicht nicht. In die Stille des Ozeans, weit draußen. Und auch das reicht noch nicht. Auf die Planken versunkener Schiffe. Mehr kann man sich nicht zurückziehen wollen, ferner geht nicht. Aber nur für eine Weile. Um zu atmen, um auszuruhen, um zurückzuatmen, um alles erst einmal zu verarbeiten und zu verdauen. Und endlich auch ohne die Zeit, die immer ruft. Nein, hier unten, hier draußen fließen die Stunden. Sie zerfließen gleichsam. Zeitlos. Und wenn lange genug geatmet und ausgeruht wurde, kann das Sein, das Leben endlich wieder Heimat finden, weiß endlich wieder, wo es hin gehört, ohne irgendwo hin gedrängt zu werden. Und mit dieser neuen Perspektive, mit dieser neuen Kraft, die aus Wahrnehmung eigener Identität gewachsen ist, wächst das Sein, das Ich, wieder aus dem Wasser, aus den Wellen hervor, kann mit dieser neuen Kraft wieder an Ufer branden, aber es sind neue Ufer. Selbst wenn es vielleicht die selben Ufer wie die früheren wären, sind sie nun doch neu, durch die Kraft der neuen Perspektive, dadaurch, dass du eine Weile tief, unglaublich tief, in der Tiefe der Meere, ausgeruht hast. Wer diese Inselweite selbst erfahren hat, der ist das Andere, den das Eine finden kann. Sich inselweit fern bleiben und zusammengehören, sich finden. Dann schimmert die Welt wie die Bläue des Ozeans mit seinen ganzen Muscheln.

Angekommen?

Andreas Arnold hat gesagt…

Schöne maritime Motive, die sowohl Sehnsucht nach der Ferne als auch die auch durch Ferne nicht zu mindernde Nähe zum LD ausdrücken.

Fernweh, Erholung, aber auch Neuanfang ("neue Ufer") will dort, wo der Anker geworfen wird, hoffnungsvoll gestillt bzw. erwartet.
Doch ganz gleich wie fern das LI wird, es bleibt immer eins mit dem LD, vielleicht dem Liebsten.

Interessant ist die Wortkonstruktion "zurückatmen". Es kombiniert in meinen Augen "zurückrudern" als maritimen Begriff mit "durchatmen" und verstärkt so das Erholungsmotiv.

Auch interessant das Oxymoron in S4V3 und V4: Die "schimmernde Welt blauer Muschelbänke". Blau entwickelte sich aus dem allhochdeutschen Wort blao (schimmernd). Es verstärkt daher den Begriff "schimmernd". Es ist eine Welt, die demnach definitiv nur schimmert, d. h. leicht leuchtet. Das LI sucht folglich dauerhafte Ruhe und Erholung in der Ferne; kein aufregendes Leben (eher: grell leuchtende Welt). Vielleicht sucht es die Ferne, um der Hektik des Alltags zu entfliehen?
Andererseits ist blau wiederum eine Farbe, die für die Ferne steht und auch Sehnsucht symbolisiert. Gleichermaßen verstärt es in seiner Doppelbedeutung also auch das Hauptmotiv.

Das Schöne an Gedichten: Jeder kann etwas anderes darin sehen. Calliope, mkh, Träger des Lichts ... vielleicht drei verschiedene Interpretationen und jede für sich sinnhaft und gewinnbringend.

Gerne gelesen, liebe Calliope.

mkh hat gesagt…

Nachtrag:
Ich könnte mir auch vorstellen, dass dieser "ferne" Ort eigentlich tief in dir selbst liegt. Dem Sein eine Heimat - und dann wieder aus den Wellen wachsen.
So oder so oder so - wirklich schöne Bilder hast du entdeckt!

Calliope hat gesagt…

Vielen Dank ihr Lieben.
Genau solche Bilder wollte ich bei den Lesern erzeugen. Und das Schöne ist, Träger des Lichts hat Recht mit dem Ausspruch, > Jeder kann etwas anderes darin sehen. <. Gerade dies macht diese Schreibart so interessant.
Jedoch muss ich gestehen, dass Herr mkh es sehr treffend interpretiert hat. *hutab*
Schön, dass die Worte auch das erzählen, was ich beabsichtigt habe.
Danke für die Kommentare.
Calliope